Während in Upahl die Baggerschaufeln sich, geschützt durch Metallzäune, in den Grasboden fressen, tagen im fünf Kilometer entfernten Grevesmühlen im sogenannten Malzwerk elf Bürgermeister und der Landrat vom Kreis Nordwestmecklenburg. Es gibt nur ein Thema: Gemeinschaftsunterkunft. Alles natürlich unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Deshalb müssen die, die es wirklich angeht, bei eisigem Wind draußen vor der Tür bleiben. Der Streit um das Containerdorf in Upahl zeigt, wie das ganze Asylsystem in Deutschland kippt.
„Wir sagen Nein“, skandieren die Demonstranten vor dem Malzwerk. Es ist kurz nach Beginn der Versammlung am Donnerstag, die drinnen um 17 Uhr beginnt. Immer mehr Menschen spazieren von allen Seiten auf den Platz. Und sie haben Redebedarf. „Ich bin hier“, sagt Melanie Jahn, „um abzuwenden, daß soviel Flüchtlinge kommen. Wir wollen ja durchaus Flüchtlinge aufnehmen, aber 400 Flüchtlinge in solch einem kleinen Dorf, das ist einfach zu viel.“
Upahl hat nur 500 Einwohner. Es käme ungefähr auf jeden einen Einwohner ein Migrant. Dabei gibt es in dem kleinen Dorf kaum Infrastruktur. Keinen Supermarkt, keine Kneipe, nur einen schlechten ÖPNV. Was sollen die Asylbewerber hier den ganzen Tag machen?
Medien diffamierten Bürger
Das Grundstück, auf dem die Wohncontainer aufgestellt werden sollen, gehört der Wirtschaftsförderungs-Gesellschaft des Kreises. Es liegt im Gewerbegebiet der Gemeinde. Am Bauzaun weist kein Schild daraufhin, wer hier baut und was hier entstehen soll.
Rückblick: Donnerstag, 26. Januar. Dringlichkeitssitzung des Kreistags. Er stimmt mit den Stimmen von Grünen, FDP, CDU und Teilen der SPD für eine Containerunterkunft in Upahl. Der NDR und auch andere Medien berichten, daß etliche Demonstranten dem rechten Spektrum zuzuordnen seien. Die Quelle scheint eine Antifa-Seite zu sein. Und so ist nicht mehr das Flüchtlingsheim, sondern das Agieren der angeblichen Rechtsextremisten das Thema in den Nachrichten. Obwohl die Polizei betont, daß die riesige Mehrheit bürgerliche Demonstranten sind. Mehr als 700 Menschen sind gekommen.
Die Upahler fühlen sich mißverstanden, verwahren sich gegen den Nazivorwurf und viele haben das Vertrauen in die Presse verloren. Journalisten, die durch die Menge der Demonstranten spazieren und Gesprächspartner suchen, erleben, wie die Menschen ihnen demonstrativ den Rücken zuwenden. Sie wollen nicht mit ihnen sprechen. Einige rufen: „Lügenpresse!“
„Ich habe Angst, um mich und auch um meine Mädels“
„Die haben uns in die rechte Ecke gestellt“, sagt eine Upahlerin, die aus Angst ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. „Unter den Artikeln fordern anonyme Menschen in den Kommentarspalten, man sollte mit Maschinengewehren auf uns Demonstranten schießen.“ Sie hat Tränen in den Augen.
Kritische Fragen werden abgebügelt
Einsatzleiter Rainer Böttcher steht derweil mit Versammlungsleiter Michael Krieger vor dem Gebäude, bespricht den Ablauf der Demo. „Wir sind mit 100 Beamten vor Ort“, sagt der Polizeihauptkommissar gegenüber JF. „Wir können nicht abschätzen, wie viele Bürger kommen. Es wurde in den sozialen Medien mobilisiert, wir bereiten uns auf eine Versammlungslage vor.“ Er wird recht behalten. 550 Demonstranten wird die Polizei später als Teilnehmerzahl angeben.
Ungefähr zu dieser Zeit wird der AfD-Landtagsabgeordnete Jan-Philipp Tadsen aus dem Gebäude geschickt. So wie eine Woche zuvor sein Parteifreund und Bundestagsabgeordnete Leif-Erik Holm.
Es wird weiter demonstriert
Aus der Sitzung dringen keine Informationen nach draußen. Die Suche nach weiteren Flächen für Gemeinschaftsunterkünfte wird am 20. Februar mit dem Landrat und den Bürgermeistern weitergehen. Sicher scheint nur: Upahl wird seine Flüchtlinge bekommen.
Am Samstag abend wollen die Upahler wieder demonstrieren: am Bauzaun, mit Lichterkette und Bockwürsten.